Rechtliche Aspekte der Korruptionsbekämpfung in der Ukraine, Deutschland und Polen

Wie in den beiden Jahren zuvor führt das IOR auch 2011 wieder in Zusammenarbeit mit dem Institut für Gesetzgebung der Verchovna Rada der Ukraine ein Projekt im Rahmen des Sonderprogramms des DAAD „Unterstützung der Demokratie in der Ukraine“ durch.

Die wissenschaftliche Leitung des Projekts obliegt Prof. Dr. Dres. h.c. Friedrich-Christian Schroeder, die Projektdurchführung der IOR-Länderreferentin für russisches und ukrainisches Recht, Antje Himmelreich.

Zielsetzung

Ziel des Projekts ist es, rechtliche Aspekte der Korruptionsbekämpfung in der Ukraine rechtsvergleichend mit dem deutschen und polnischen Recht zu untersuchen. Dabei soll auch festgestellt werden, wie weit der Stand der Anpassung des ukrainischen Rechts an das europäische Gemeinschaftsrecht in den für die Korruptionsbekämpfung relevanten Bereichen ist. Das Projekt soll schließlich dem Informations- und Gedankenaustausch zwischen deutschen, ukrainischen und polnischen Rechtswissenschaftlern und Praktikern dienen und neue Kontakte vermitteln sowie bestehende partnerschaftliche Beziehungen ausbauen.

Begründung

Mit der Korruptionsbekämpfung wird ein zentrales Thema der europäischen Politik und Rechtsgestaltung aufgegriffen. Korruption existiert auch in den EU-Altmitgliedern sowie den europäischen Institutionen. In der Ukraine wie auch in anderen Ländern Osteuropas hat sie aber eine andere Quantität und auch Qualität: in allen seriösen internationalen Vergleichen weist die Ukraine eine auffällig hohe Korruptionsrate auf. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International bewertet die Situation in der Ukraine seit Jahren als besorgniserregend. Im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) für das Jahr 2010 erreichte die Ukraine gerade einmal 2,4 von möglichen 10 Punkten. Die Ukraine belegte damit den 134. von 178 Plätzen. Polen schnitt mit 5,3 Punkten (Platz 41) deutlich besser ab. Deutschland erreichte mit 7,9 Punkten Platz 10.

Auch die Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen der EU zur Ukraine werden durch die Korruption belastet. Ihre Bekämpfung ist ein Dauerthema im Dialog zwischen der EU und der Ukraine.

Eine wichtige Voraussetzung für die Annäherung der Ukraine an die EU ist die Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der Ukraine an den acquis communautaire der EU. Viele wesentliche Aspekte der Korruptionsbekämpfung sind innerhalb der EU mittlerweile gemeinschaftsrechtlich vorgegeben. Auch ohne eine unmittelbare Beitrittsperspektive lastet auf der Ukraine ein informeller Druck, zur Förderung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs mit Westeuropa Rechtsvorschriften und Rechtskultur an westeuropäische Erwartungen anzupassen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten Abschlusses eines Assoziierungsabkommens im Rahmen der östlichen Partnerschaft und eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und der Ukraine.

Gerade im Antikorruptionsrecht ist die Übernahme europarechtlicher Vorgaben und Standards nicht bloß eine „technische“ Frage, sondern beinhaltet Fragen von Werten und Identität. In der Ukraine wie auch in anderen osteuropäischen Staaten steht „Europa“ als Chiffre für einen Idealzustand, den man für sich anstrebt. Zu diesem Ideal gehören auch eine korruptionsfreie öffentliche Verwaltung und ein korruptionsfreier Wirtschaftsverkehr. „Europa“ wird jedenfalls als weniger korruptionsbelastet als die Ukraine imaginiert. Die Zurückdrängung der Korruption dürfte daher für viele Ukrainer auch eine Annäherung an die „europäische Wertegemeinschaft“ bedeuten und hat somit jenseits des unmittelbaren Effekts auf öffentliche Verwaltung und Wirtschaft auch eine kulturelle und eine moralische Dimension.

Ob es in der Ukraine gelingt, die Korruption im gewünschten Maße einzudämmen, hängt nicht ausschließlich, aber wesentlich auch von den rechtlichen Problemlösungsstrategien der Korruptionsbekämpfung ab. Die Ukraine ist einem Teil der völkerrechtlichen Übereinkommen zur Korruptionsbekämpfung beigetreten, u.a. dem UN-Abkommen gegen Korruption von 2003 sowie den beiden Übereinkommen des Europarats über Korruption von 1999 (Strafrechts- und Zivilrechtsübereinkommen über Korruption).

Auf nationaler Ebene entfalten die Antikorruptionsstrategien der Ukraine bislang jedoch kaum Wirkung. Wie einige andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion verfügt die Ukraine seit 1995 über ein allgemeines Gesetz zur Korruptionsbekämpfung. 2009 wurde noch unter der alten Regierung ein umfassendes Gesetzgebungspaket zur Bekämpfung der Korruption verabschiedet, das allerdings noch vor seinem mehrfach verschobenen und schließlich für den 1. Januar 2011 vorgesehenen Inkrafttreten im Dezember 2010 wieder aufgehoben wurde. Zuvor hatte das ukrainische Verfassungsgericht in einer Entscheidung vom 6. Oktober 2010 Teile des Gesetzgebungspakts für verfassungswidrig erklärt. Inzwischen hat die Verchovna Rada am 7. April 2011 ein neues Gesetz „Über die Grundsätze der Vorbeugung und Bekämpfung der Korruption“ verabschiedet, das einen Präsidialentwurf vom Dezember 2010 umsetzt. Kritiker werfen diesem Gesetz vor, dass es weit hinter dem Gesetzgebungspaket von 2009 zurückbleibt, u.a. sieht es keine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für Korruptionsstraftaten mehr vor.

Durchführung

Im Rahmen des Projekts fand vom 1.-3. Juni 2011 in Kiew eine Fachtagung statt, die sich vor allem der rechtlichen Regulierung der Korruptionsbekämpfung widmete. An der Tagung haben Wissenschaftler und Praktiker aus der Ukraine, Deutschland und Polen teilgenommen.

Nach allgemeinen Überlegungen zum „Antikorruptionsrecht“ in der Ukraine, Deutschland und Polen wurde in mehreren Panels auf einzelne, für die Korruptionsbekämpfung besonders relevante Regelungsbereiche eingegangen. Dies waren vor allem das Vergabe- und Finanzrecht, das allgemeine Verwaltungsrecht und das öffentliche Dienstrecht, die Korruptionsbekämpfung in den politischen Organen und strafrechtliche Aspekte der Korruptionsbekämpfung.

Das Programm der Tagung finden Sie hier.

Darüber hinaus fand am 1. Juni 2011 in den Räumen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Kiew eine Podiumsdiskussion zum Thema „Der Beitrag der Zivilgesellschaft zur Korruptionsbekämpfung“ statt.

Das Programm der Podiumsdiskussion finden Sie hier.

Die Ergebnisse der Tagung werden in einem Sammelband in den „Studien des Instituts für Ostrecht“ beim Peter Lang Verlag veröffentlicht.