Stabile Rechtsordnungen auf dem Westlichen Balkan: Voneinander lernen auf dem Weg in die EU

Gefördert durch:

Ausgangslage:

Auf dem Westlichen Balkan befinden sich sechs Staaten, die alle der EU beitreten möchten und auf diesem Weg unterschiedlich weit vorangekommen sind. Eine zentrale Voraus­set­zung der EU-Mit­gliedschaft ist eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit (Art. 2 EUV). Rechts­staatlichkeit in diesem Sinne bedeutet mehr als bloße Kompatibilität der staatlichen Rechtsordnung mit den Vorgaben des Unionsrechts. Sie liegt dann vor, wenn die staatliche Rechtsordnung auf dem Papier und in der Um­setzung eine Qualität aufweist, in der das Recht Willkür und Klientelismus ausschließt, illegitime Machtausübung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verhindert, die Entschei­dungen, die in der po­litischen Sphäre transparent und demokratisch getroffen worden sind, für alle verbindlich umsetzt und Re­geln nicht nur auf dem Papier vorsieht, sondern diese gegenüber den Rechtsunterworfenen auch durchsetzt, und zwar auf eine nicht selektive und nicht diskriminierende Art und Weise. Das setzt nicht nur inhaltlich rechtsstaatliche Normen in einer rationalen Rechtsquellen­hier­ar­chie voraus, sondern auch funktionierende Rechtsinstitutionen von der Justiz über die rechts­wissenschaftliche Ausbildung bis hin zu den „watchdogs“ wie Medien, NGOs und Ver­bänden. Von diesem Idealbild sind die Rechtsordnungen des westlichen Balkan – entgegen dem Enthusiasmus mancher EU-Papiere – noch weit entfernt. Unterschiedlich nach Land und Zeit können eine schlechte handwerkliche Qua­lität des geltenden Rechts­stoffs, eine über­bordende administrative Rechtsetzung v.a. auch im Ver­waltungsinnenrecht gegenüber lückenhaften Gesetzen im formellen Sinn, eine Instrumentalisierung des Rechts zur Durch­set­zung eigener politischer oder wirtschaftlicher Interessen (Herrschaft durch das Recht statt Herrschaft des Rechts), eine am Wortlaut klebende textualistische Auslegungs­kultur und eine Juristenausbildung, die diesen Textualismus weiter vererbt, sowie ein ge­wis­ser Zynismus in der Gesellschaft gegenüber dem Recht genannt werden. Wie in allen ehe­mals sozialistischen Staaten, so ist auch in den Staaten des westlichen Balkan die Justiz die Staats­gewalt, deren tatsächlicher Zu­stand am weitesten von rechtsstaatlichen Idealen ent­fernt ist. Zugleich ist eine qualitätsvolle Justiz der Dreh- und Angelpunkt funktionierender Rechtsstaatlichkeit. Dieser skizzierte mangelhafte Zu­stand der Rechtsordnung destabilisiert die Staaten des westlichen Balkan nach innen und nach außen. Die Stärkung der Rechts­staat­lichkeit in den einzelnen Staaten hat daher eine stabilisierende Wirkung nicht nur auf den jeweiligen Staat, sondern auf die gesamte Re­gion. Zugleich fördert sie die EU-Beitritts­fähigkeit der Staaten.

Dabei ist die Region nicht ohne rechtsstaatliche Traditionen. Mit Ausnahme Albaniens sind alle Staa­ten des westlichen Balkan Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Vor 1989/90 war Jugo­slawien der einzige sozialistische Staat (wenn man von dem Ausnahmefall Polen ab Mitte der 1980er Jahre ab­sieht), der systematisch auch rechtsstaatliche Elemente in seine Ideo­logie und Rechtspraxis einbaute, auch wenn er ihnen keinen zentralen Platz einräumte. So gehörten schon lange vor der Wende Ver­fassungs- und Verwaltungsgerichte zur sozialisti­schen Rechtskultur Jugoslawiens, und das spätsozi­alistische Privatrecht Jugoslawiens legte in einem rechtsstaatlichen Ansprüchen ge­nügendem Maße Wert auf Privatautonomie und den Schutz privater Rechte etwa im Vertrags- und Sachenrecht. Das Rechtserbe Jugo­sla­wi­ens schimmert bei allen Nachfolgestaaten von Slowenien bis Nordmaze­donien noch durch, ähneln sich die Rechtsvorschriften und Kodifikationskultur wie auch die der Rechtsord­nung zugrunde liegenden Institutionen und weichen Faktoren. Angesichts dieser vielen verbin­den­­den Ele­mente ist es nicht fernliegend, von einem „postjugoslawischen Rechtsraum“ zu sprechen, mit aller Vorsicht, die der Gebrauch des Begriffs „Rechtsraum“ erfordert. Die eine Ausnahme auf dem west­lichen Balkan ist Albanien, das bereits zu sozialistischen Zeiten einen eigenen Weg ging und sich in seiner Rechtsentwicklung ab den 1950er Jahren nicht mehr an Jugoslawien orientierte, sondern eine ganz eigene Rechtskultur aufbaute. Die zwei­­­­­te partielle Ausnahme ist Kosovo, dessen Ge­setzgebung seit der Unabhängigkeit we­gen der zahlreichen eklektischen ausländischen Beratungsein­flüsse nur noch einen schwa­chen Bezug zum postjugoslawischen Rechtserbe hat, was ein Grund dafür ist, dass sich vie­le neue kosovarische Gesetze so schlecht mit der vorhandenen Rechtsordnung und Rechts­kultur vertragen.

Seit den jugoslawischen Kriegen der 1990er Jahre ist die Kommunikation zwischen den Nachfol­ge­staaten Jugoslawiens auf ein Minimum reduziert. Daher finden auch die Bemü­hun­gen um die Ent­wicklung einer rechtsstaatlichen Ordnung und um die Umsetzung des acquis communautaire in nati­onalstaatlicher Isolation, in bilateraler Kommunikation mit der EU und westlichen Unterstützern, aber kaum im regionalen Dialog untereinander statt.

Die Idee unseres Projekts:

Unser Projekt setzt bei der kollabierten Kommunikation zwischen den Ländern des westlichen Bal­kan an. Es basiert darauf, dass die verbindenden Elemente in den Rechtsord­nungen und Rechtskulturen der jugoslawischen Nachfolgestaaten noch immer stark genug sind, um ein Von­einanderlernen nicht nur sinnvoll zu machen, sondern auch zu erleichtern. Wegen der nach wie vor großen strukturellen Nähe der postjugoslawischen Rechtsordnungen zuei­nander bietet es sich an, dass diese Staaten stär­ker als bisher voneinander lernen, von ihren Erfolgen und Fehl­schlägen auf dem Weg zu rechtsstaat­lichen, stabili­tätsorientierten und beitrittsfähigen Rechts­ordnungen.

Die Erfahrungen der Vorbereitung des Beitrittsprozesses von 2004 zeigen, dass regionale Clus­ter von Beitrittskandidaten, die sich gegenseitig durch Erfahrungsaustausch unterstützen, die ein­­­zelnen Staaten voranbringen können: Die Transformationsleistungen und Beitrittsvorbereitun­gen Po­lens, der Tschechoslowakei und ihrer Nachfolger sowie Ungarns wurden durch deren Ko­operation in der Vi­segrád-Gruppe deutlich gefördert.

Die Staaten des westlichen Balkan könnten ebenso von einem intensivierten Erfahrungsaus­tausch auf rechtlichem Gebiet profitieren. Während die Initiative zu einer intensivierten Koopera­tion im Vi­segrád-Raum von den drei/vier teilnehmenden Staaten ausging, muss ein solcher Pro­zess auf dem westlichen Balkan von außen angestoßen, begleitet und idealerweise auch mode­riert werden. Es gibt zwar wissenschaftliche und rechtspolitische Kommunikation zwischen den Staaten der Region, die jedoch kaum über einzelne Initiativen und personengebundene Kon­tak­te hinausgeht. Belastbare Netz­werke gibt es kaum. Außerdem setzt ein wirkliches Voneinan­der-Lernen die Bereitschaft zu fachli­cher (Selbst-)Kritik vo­raus. Diese Bereitschaft ist seit dem Ende der Jugoslawienkriege immer noch unterentwickelt. Zahl­reiche Initiativen westlicher Ko­opera­tions­partner wie etwa der IRZ-Stiftung oder der Südosteuropa-Gesellschaft zeigen aber, dass ein neutrales, von au­ßen zur Ver­fügung gestell­tes Forum die Bereitschaft zu echter fachlicher, z.B. rechtswissen­schaft­licher Kommu­nikation schaf­fen und einen echten Diskurs zwischen Akteuren aus verschie­denen jugoslawischen Nachfolgestaaten in Gang bringen und halten kann. In diesen Erfah­rungs­­austausch sollen auch die beiden jugoslawi­schen Nachfolgestaaten, die bereits EU-Mit­glie­der sind, nämlich Slowenien und Kroatien, einbezo­gen werden. Sie haben bereits ge­schafft, was die Staaten des westlichen Balkan noch anstreben. Daher sind ihre Erfahrungen beson­ders wertvoll.

Das Projekt verfolgt drei aufeinander aufbauende Ziele, die unter dem Begriff „Stärkung des grenz­überschreitenden rechtlichen Dialogs“ zusammengefasst werden können:

– Identifizierung der Rechtsfragen, in denen Dialogbedarf und Dialogmöglichkeiten bestehen, und der „stake holders“ aus Wissenschaft, Politik, Zivilsphäre etc., die sinnvollerweise an einem Dialog zu der konkreten Frage teilnehmen. Geeignete Themen sind „Korruptionsstrafrecht“ und „Zwangs­vollstreckung in Konten und Arbeitseinkommen“.

– Schaffung von Dialogforen, Einleitung, Begleitung und Moderation des Dialogs zwischen „stake holders“ aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens (und wo sinnvoll, mit Teilnehmenden von dar­über hinaus), Unterstützung der Netzwerkbildung der Teilnehmenden.

– Nachhaltigkeit durch niederschwellige Publikation der Dialogergebnisse auf einer Projektseite im Open access in den Sprachen des westlichen Balkan und in rechtswissenschaftlichen und anderen Medien der Region sowie kontinuierliche Nachsorge bei der Netzwerkbildung.

Die Bestandteile unseres Projekts:

Baustein 1: Monitoring

Der erste Baustein des Projekts besteht darin, Themen der Rechtsentwicklung zu identifizieren, in denen ein Dialog zwischen zwei oder mehr Westbalkanstaaten untereinander und mit weite­ren Staa­ten wie Slowenien, Kroatien oder anderen ehemals sozialistischen EU-Mitgliedern sinn­voll ist, um dann in einem zweiten Baustein zu diesen Themen geeignete Dialogforen zu organi­sieren. Die Aus­wahl dieser Themen erfolgt weniger unter dem Gesichtspunkt ihrer Relevanz für einen EU-Beitritt, d.h. ist nicht beschränkt auf die EU-Rechtsangleichung. Entscheidend ist viel­mehr, wie wichtig sie für die Stabilität der Rechtsordnung(en) und ihrer Rechtsstaatlichkeit sind.

Im Rahmen dieses Projekts behandelt das IOR die Themen „Korruptionsstrafrecht“ und „Zwangs­­­­vollstreckung in Bankkonten und Arbeitseinkommen“ (zur Begründung dieser Auswahl s. Baustein 2).

Zeitrahmen: Das Monitoring ist eine laufende Tätigkeit, die während der gesamten Pro­jekt­lauf­zeit fortgeführt wird, um ggf. aktuelle Entwicklungen in die Projektarbeit einfließen lassen zu kön­nen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse des Monitorings erfolgt monatlich in den „Chroniken der Rechtsentwicklung“ der im Open access zu­gänglichen Fachzeitschrift „Wirtschaft und Recht in Ost­europa“, für die das IOR redaktionell ver­antwortlich zeichnet.

Baustein 2: Dialog

– Dialogforum 1: Korruptionsstrafrecht

Das erste Thema im Projektzeitraum ist das Korrup­tionsstrafrecht. Slowenien und Kroatien ha­ben bereits ein Korruptionsstrafrecht, das im We­sentlichen EU-Standards genügt. In den Bei­trittskandi­daten des westlichen Balkan ist dies nur teil­weise der Fall. Zwar liegt in diesen Staaten der Haupt­mangel der präventiven und repressiven Korruptionsbekämpfung nicht in der Gesetzge­bung, sondern in deren Umsetzung. Gerade An­tikorruptionsmaßnahmen, die zur Stabilisierung des Rechtsstaats bei­tragen sollen, setzen aber ein rechtsstaatliches „law on the books“ voraus; das gilt verstärkt im Straf­recht, das auch in den Verfassungen der Westbalkanstaaten beson­de­ren rechtsstaatlichen Bindungen unterliegt. Ein rechtsstaatlich akzeptables Korruptionsstraf­recht ist somit der Ausgangspunkt für alle straf­rechtlichen Maßnahmen zur Korruptionsbekämp­fung.

Das Strafrecht der jugoslawischen Nachfolgestaaten ist untereinander immer noch ähnlich ge­nug, um ein Voneinanderlernen ohne größere strukturelle, dogmatische und auch kriminologi­sche Hürden zu ermöglichen.

Das Dialogforum „Korruptionsstrafrecht auf dem westlichen Balkan“ soll in Regensburg stattfin­den. Der Termin wird im Januar oder Februar 2025 sein. Das genaue Datum wird mit den Teilneh­menden abgestimmt werden.

Geladen werden je 1 Vertreterin oder Vertreter der Strafrechtswissenschaft in Slowenien, Kroa­tien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Nordmazedonien, der kroatischen Anti­korrup­tionsbehörde USKOK und der bosnischen Agentur für Korruptionsprävention und die Ko­ordination der Korruptionsbekämpfung sowie von Transparency International und MANS (Mreža za afirmaciju nevladinog sektora), einer montenegrinischen NGO auf dem Gebiet der Korrupti­onsbekämpfung, die u.a. von Transparency International unterstützt wird. Ins­gesamt nehmen an dem Forum 10 externe Gäste sowie aus Regensburg die Projektbeteiligten des IOR und Mitglie­der der juristischen Fakultät der Universität Regensburg teil.

Zu den themenspezifischen Vorarbeiten des IOR zu dem Thema Korruptionsbekämpfung gehört die Teilnahme an dem bayerischen Forschungsverbund forost mit dem Thema „Korruptionsbe­kämp­fung in Osteuropa“ 2006/07 (Projektband: forost / Küpper, Herbert (Hrsg.): Korruptionsbe­kämpfung in Osteuropa, forost Arbeitspapier Nr. 46, München 2009).

Zeitrahmen (Oktober 2024 bis März 2025):

– Einrichtung der Projektwebseite und der Infrastruktur für die Online-Veröffentlichung der Wor­king Papers und anderer Projektmaterialien: Oktober 2024;

– Einladung der Teilnehmenden für das Dialogforum, Vorbereitung des Forums: Oktober 2024 bis Januar 2025;

– Dialogforum in Regensburg: anderthalb Tage in Regensburg, nach Absprache mit den Teil­neh­menden im Januar oder Anfang Februar 2025;

– Nachsorge, u.a. redaktionelle Aufbereitung und ggf. Übersetzung der schriftlichen Beiträge der Teilnehmenden: unmittelbar nach deren Eingang, auch über das Ende des Projekt­halbjahres hinaus.

– Dialogforum 2: Zwangsvollstreckung in Bankkonten und Arbeitseinkommen auf dem westlichen Balkan

Das zweite Thema im Projektzeitraum soll die Zwangsvollstreckung in Bankkonten sein. Überall in den Ländern des westlichen Balkan ist die Praxis der Zwangsvollstreckung unbefriedigend, die Eintreibungsquoten sind gering. Diese gravierenden Mängel erschüttern auf Dauer das Ver­trauen der Gläubiger und schließlich insgesamt der Gesellschaft in einen rechtsstaatlichen Zivil­prozess. Da das Zwangsvollstreckungsrecht als Ganzes die Dimensionen eines Dialogforums sprengen würde, kon­zentriert sich dieses Projekt auf eine Vollstreckungsproblematik, die häufig vorkommt und zudem nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Privatpersonen als Gläubiger (etwa bei Unterhaltsfor­derungen) von Relevanz ist: die Vollstreckung in Bankkonten und Arbeits­einkommen.

Auch für das Zwangsvollstreckungsrecht gilt, dass die Ähnlichkeiten innerhalb der Nachfolge­staa­ten Jugoslawiens noch deutlich erkennbar sind. Ein Potenzial für ein Voneinander-Lernen gibt es mithin auch in diesem Rechtsgebiet.

Das Dialogforum „Zwangsvollstreckung in Bankkonten und Arbeitseinkommen auf dem westli­chen Balkan“ soll wieder in Regensburg stattfin­den. Der Termin wird im Juli oder August 2025 sein. Das genaue Datum wird mit den Teilnehmenden abgestimmt werden.

Wegen des eher technischen Charakters des Themas sind unter den Teilnehmenden die Vertre­te­rinnen und Vertreter der Rechtspraxis stärker vertreten. Geladen werden ins­gesamt 10 Teil­neh­­­­­mende, außerdem nehmen die Projektbeteiligten des IOR teil.

Zu den themenspezifischen Vorarbeiten des IOR zählt das Forschungsprojekt „Rechtsdurchset­zung in Ost­europa: die Vollstreckung von Gerichtsurteilen“ (2004/2005). Die Projektergeb­nisse wur­den in mehreren Arbeitspapieren des Forschungsverbunds forost publiziert.

Zeitrahmen (April bis September 2025):

– Erweiterung der Projektwebseite um das Dialogforum „Zwangsvollstreckung“: Januar 2025;

– Einladung der Teilnehmenden für das Dialogforum, Vorbereitung des Forums: Februar bis Juli 2025;

– Dialogforum in Regensburg: anderthalb Tage in Regensburg, nach Absprache mit den Teil­neh­menden im Juli oder Anfang August 2025;

– Nachsorge, u.a. redaktionelle Aufbereitung und ggf. Übersetzung der schriftlichen Beiträge der Teilnehmenden: unmittelbar nach deren Eingang, auch über das Ende des Projekt­halbjahres hinaus.

Baustein 3: Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit spielt eine wesentliche Rolle für die angestrebte Stabilisierungswirkung des Pro­jekts. Das bedeutet, dass es niederschwellig möglich sein muss, die angestoßenen Erfahrungs­austausche, wis­senschaftlichen und anderen Debatten über den Kreis der Teilnehmenden hin­aus wahrzunehmen und ihre Ergebnisse zu rezipieren. Hierbei kommt es in erster Linie auf Wahr­nehmbarkeit in den Staaten des west­lichen Balkan selbst an. Hierzu stützt sich unser Pro­jekt auf mehrere Me­thoden.

Erstens betreibt das IOR eine im Open access erscheinende Online-Reihe von Working Papers, in denen die Beteiligten ebenso wie Projektmitarbeitende und Dritte rele­vante Beiträge veröffentlichen können. Um ihre Wirkung vor Ort zu entfalten, werden diese Bei­träge in Serbokroatisch bzw. seinen nationalstaatlichen Varianten, ggf. auch weiteren Sprachen der Region wie Albanisch, Mazedo­nisch/ Bul­­­garisch oder Slowenisch veröffentlicht. Eine über die Region hinaus gehende Breitenwirkung wird in geeigneten Fällen durch eine parallele Veröffent­lichung in einer internationalen Sprache er­reicht. Die Working Papers werden primär auf der Pro­­­jektwebseite publiziert. Dort soll die Möglich­keit eines Print-on-demand zur Verfügung ge­stellt werden, damit u.a. interessierte Multiplikatoren wie etwa Bibliotheken die Möglichkeit ha­ben, diese Working Papers als bibliographische Einheiten in ihre Regale zu stellen und so wei­tere Leserschichten zu erschließen.

Zweitens können Debatten in Bild und Ton aufgenommen und ebenfalls im Internet auf der Web­seite des Projekts zugänglich gemacht werden. Dies kann bereits während der Debatte oder auch nur nachträglich er­folgen. Die Veröffentlichung der Debatten setzt die ohne Zwang erteilte Zustimmung aller Teilnehmenden voraus. Außerdem ist bei der Aufnahme zu beachten, dass sie nicht den freien Austausch verhindern darf. Ob dies zu befürchten ist, hängt vom Thema und der Konstellation der Teilnehmenden ab. Während bei Fragen der Zwangsvollstreckung wegen ihres eher technischen Cha­rakters kaum Bedenken im Hinblick eine Online-Veröffentlichung der De­batte zu erwarten sind, schließen wir bei dem politiknäheren Thema des Korruptionsstrafrechts nicht aus, dass einzelne Teil­nehmende, etwa Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, die Öf­fentlichkeit ausgeschlossen haben möchten. Wir werden in jedem Fall mit den Teilnehmenden pragmatische Lösungen entwickeln, um den freien Austausch von Gedanken nicht zu behin­dern.

Drittens sollen relevante Diskussionsbeiträge in den rechtswissenschaftlichen und ggf. auch an­de­ren Medien in der Region publiziert werden. Dann sind sie eingebettet in die reguläre rechts­wissen­schaft­liche und allgemeine Debatte in dem gegebenen Land. Die Projektmitarbeitenden können im Kontakt mit den entsprechenden Redaktionen bei der Platzierung von Beiträgen be­hilflich sein.

Viertens können Themen und Debattenbeiträge über soziale Medien in die Debatten der Staaten des westlichen Balkan eingespeist werden.

Fünftens organisieren die Projektmitarbeitenden spezielle Kommunikationsforen, die es Perso­nen, die an einer Projektmaßnahme teilgenommen haben, ermöglichen, miteinander in Kontakt und in einem v.a. fachlichen Austausch zu bleiben. Hierzu ruft das IOR eine geschlossene Be­nutzergruppe in einem in der Region verbreiteten sozialen Netzwerk ins Leben, die diesen Per­sonen offensteht und die bei Bedarf von den Projektmitarbeitenden moderiert wird. In geeigne­ten Fällen und vorbehaltlich einer adäquaten Finanzierungsmöglichkeit werden Follow-up-Foren organisiert, in denen die Teil­nehmenden eines abgeschlossenen Forums die Fortent­wicklung in der gegebenen Rechtsfrage disku­tieren. Das IOR eröffnet (ehemaligen) Teilnehmen­den die Mög­­­­lichkeit, in Deutschland zu publizieren und auch auf diesem Weg Netzwerke zu pfle­gen.

Sechstens werden wir bei den Bibliotheken der Regensburger Gerichte aussortierte Vorauflagen und andere Fachliteratur einsammeln und den Projektteilnehmenden aus der Region kostenlos zur Verfügung stellen. Das soll dazu beitragen, die rechtsvergleichende Einbettung der angesto­ßenen Di­aloge zu verstetigen.

Zeitrahmen: Die Maßnahmen Erstens bis Viertens bestehen in der Nachsorge einer konkre­ten Veran­staltung. Die Teilnehmenden erhalten Fris­ten, innerhalb derer ihre schriftlichen Bei­trä­ge erwartet werden. Die Maßnahmen zu Fünftens und Sechstens sind fortlaufend, auch über das Ende der Pro­jektlaufzeit hinaus.

Zielpersonen:

Das Projekt ist in erster Linie ein rechtswissenschaftliches. Daher richtet es sich zuerst an die Ver­­tre­terinnen und Vertreter der Rechtswissenschaft und der Rechtsanwendung, zwischen de­nen ein grenz­überschreitender Dialog wieder zustande kommen soll. Da das Recht und die rechtsstaatliche Ent­wicklung nicht in einem Elfenbeinturm der Wissenschaft stattfinden, besteht eine zweite Zielgruppe aus Entscheidungsträgerinnen und -trägern und eine dritte Zielgruppe aus „watchdogs“ u.ä., z.B. Ver­treterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und der Verbände. Zielgruppen und Schlüsselakteure überlappen sich weitgehend.

Das angestrebte Ziel, die Initiierung und Förderung fachlicher Dialoge, ist für sich genommen geschlechterübergreifend und damit geschlechterneutral. Im Rahmen des Projekts achten wir darauf, dass in den Foren alle Geschlechter hinreichend vertreten sind und niemand wegen des Geschlechts oder anderer Faktoren benachteiligt oder bevorzugt wird.

Ein spezifischerer Genderaspekt ergibt sich in den Fällen, dass genderrelevante Rechtsfragen im einem Forum des Projekts verhandelt werden. So sind Frauen regelmäßig von Mängeln der Zwangs­vollstreckung in Bankkonten und Arbeitseinkommen stärker betroffen, da sie als Gläubi­gerinnen und mehr noch als Vertreterinnen der Inhaber von Unterhaltsforderungen (regelmäßig der minderjährigen Kinder) mit der Durchset­zung ihrer Ansprüche scheitern. Spiegelbildlich pro­fitieren Männer in Ge­stalt säumiger Unterhaltsschuldner überproportional von den Dysfunktio­na­li­täten der genannten Zwangsvollstreckungsarten.