Das World Justice Project (WJP) hat Ende Oktober den Rule of Law Index 2025 veröffentlicht. Der Index misst, wie Menschen in 143 Ländern und Jurisdiktionen die Rechtsstaatlichkeit erleben und wahrnehmen. Wie schon im Vorjahr liegen die skandinavischen Staaten uneinholbar an der Spitze: Dänemark verteidigt mit einer Punktzahl von 0,90 souverän den ersten Platz, gefolgt von Norwegen (0,89), Finnland (0,87) und Schweden (0,85). Auch Neuseeland (0,83), Deutschland (0,83), Luxemburg, Irland, die Niederlande und Estland gehören weiterhin zu den zehn Ländern mit der stärksten Rechtsstaatlichkeit.
Deutschland unter den Spitzenreitern
Die Gesamtpunktzahl von Deutschland bleibt unverändert bei 0,83. Im internationalen Vergleich bedeutet dies aber einen Abstieg um einen Rang auf Platz 6. Die Bundesrepublik schneidet insbesondere bei der Achtung der Grundrechte und der Effektivität der Justiz gut ab.
Osteuropa im Überblick
Estland bleibt der beste Vertreter Ost‑ und Mitteleuropas. Mit einem Score von 0,82 und Platz 10 ist der baltische Staat weiterhin fester Bestandteil der Spitzengruppe. Litauen folgt auf Rang 18 (0,77), knapp vor Tschechien (Rang 20, 0,74) und Lettland (Rang 21, 0,73). Diese Länder konnten ihre Positionen aus dem Vorjahr halten oder leicht verbessern und liegen weiterhin deutlich vor anderen Staaten der Region.
Im Mittelfeld finden sich Slowenien (Rang 26, 0,68) sowie Polen (Rang 32, 0,66). Letzteres erholt sich damit etwas vom Absturz der vergangenen Jahre. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2015 Polen noch auf Platz 22 lag. Die Slowakei, die im vergangenen Jahr besonders wegen der umstrittenen Strafrechtsreform und der Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft international für Schlagzeilen sorgte, rutscht auf Rang 36. Im Vorjahr rangierte das Land zwei Plätze besser.
Kroatien (Rang 46, 0,61) und Rumänien (Rang 44, 0,61) verlieren leicht, während Bulgarien (Rang 61, 0,55) und Moldau (Rang 68, 0,53) weiter zurückfallen. Besorgniserregend ist die Entwicklung in Ungarn: Das Land belegte 2015 noch Rang 36, rutschte 2022 auf Platz 73 ab und liegt 2025 mit einem Score von 0,50 nur noch auf Rang 79. Ebenfalls schwach schneiden Serbien (Rang 96), Belarus (Rang 105) und die Russische Föderation (Rang 119) ab, deren Werte deutlich unter dem globalen Mittel liegen.
Ein besonderes Schlaglicht verdient die Ukraine. 2015 belegte das Land noch den 77. Platz und konnte sich bis 2021 sogar auf Rang 74 verbessern. 2023 erfolgte der Absturz auf Rang 89. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Index leicht verbessert, im internationalen Vergleich bedeutet dies aber dennoch eine Verschlechterung um einen weiteren Rang auf Platz 90.
Vergleich mit früheren Jahren
Der WJP‑Index zeigt eine langfristige Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit, die bereits im 2022er Bericht angesprochen wurde. Länder wie Estland konnten sich seit 2015 verbessern (damals Rang 12, heute Rang 10). Tschechien hält seit Jahren eine stabile Position um Platz 20. Polen und Ungarn dagegen haben gegenüber 2015 erheblich verloren; Polen scheint sich 2025 zwar zu erholen, bleibt aber deutlich hinter seinem früheren Niveau, während Ungarn weiter abrutscht. Die Slowakei durchläuft ebenfalls einen deutlichen Abwärtstrend.
Trotz dieser Rückschläge gibt es in Osteuropa positive Entwicklungen: Die baltischen Staaten zeigen, dass hohe Standards in der Rechtsstaatlichkeit möglich sind. Insgesamt bleibt der Abstand zu den nordischen Spitzenreitern jedoch groß.
Fazit
Der Rule of Law Index 2025 bestätigt, dass die Rechtsstaatlichkeit weltweit unter Druck steht. Während die nordischen Länder ihre Führungsposition behaupten, können sich Deutschland, Luxemburg und Irland ebenfalls im oberen Segment behaupten. In Osteuropa stehen Estland, Litauen und Tschechien stellvertretend für positive Entwicklungen, wohingegen Polen, die Slowakei und insbesondere Ungarn weiterhin Nachholbedarf haben.
Wie bereits in den vergangenen Jahren hat Jan Sommerfeld, wissenschaftlicher Referent unseres Instituts, als „expert contributor“ an der Erstellung des WJP Rule of Law Index mitgewirkt und die Perspektiven aus Ost‑ und Mitteleuropa eingebracht.
Headerbild: Screenshot https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/global

