Gutachten und Rechtsauskünfte
Seit seiner Gründung ist es eine Hauptaufgabe des Instituts für Ostrecht, Gerichten und Behörden Gutachten und Auskünfte über Fragen des Ostrechts zu erteilen. Aus diesem Grund benennt Punkt 2.2. der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über das Sachverständigenwesen das IOR zu einer Gutachtenstelle für internationales Recht und Rechtsvergleichung. Von diesem Angebot machen nicht nur deutsche, sondern auch österreichische und Schweizer öffentliche Stellen Gebrauch. Auch jenseits des deutschen Sprachraums haben Gerichte wie der Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien oder das britische House of Lords um Gutachten des IOR nachgesucht. Außerdem erstellt das Institut Rechtsgutachten im Auftrag von Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen.
Länder und Rechtsgebiete
Das Institut für Ostrecht übernimmt Gutachten über das heutige und frühere Recht der osteuropäischen Staaten. Gutachten können zu allen Rechtsfragen des materiellen, Verfahrens- und Kollisionsrechts in Auftrag gegeben werden.
Die Gutachten werden durch die Länderreferentinnen und Länderreferenten des Instituts für Ostrecht erstellt. Sie sind ausgewiesene Spezialisten für die gesamte Rechtsordnung des von ihnen beobachteten Landes oder Länder und verfügen über intensive Sprach- und Landeskenntnisse. Darüber hinaus sind sie deutsche Volljuristen mit dem zweiten juristischen Staatsexamen. Das gewährleistet die Verwurzelung im deutschen Recht, die notwendig ist, um zielgerichtet für die Zwecke deutscher Gerichte und Behörden auslandsrechtliche Gutachten zu erstellen.
Zuständig für die Gutachten über das Recht der einzelnen Länder sind die folgenden Referentinnen und Referenten:
Bosnien und Herzegowina: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Bulgarien: | Externer Gutachter in Absprache mit dem auftraggebenden Gericht |
Jugoslawien: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Kosovo: | Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper (zurzeit keine Gutachten möglich) |
Kroatien: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Republik Moldau: | Wiss. Referent Axel Bormann |
Montenegro: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Nordmakedonien: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Polen: | Wiss. Referentin Tina de Vries |
Rumänien: | Wiss. Referent Axel Bormann |
Russland: | Wiss. Referentin Antje Himmelreich |
Serbien: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Slowakei: | Wiss. Referent Jan Sommerfeld |
Slowenien: | Wiss. Referent Tomislav Pintarić |
Sowjetunion: | Wiss. Referentin Antje Himmelreich |
Tschechien: | Wiss. Referent Jan Sommerfeld |
Tschechoslowakei: | Wiss. Referent Jan Sommerfeld |
Ukraine: | Wiss. Referentin Antje Himmelreich |
Ungarn: | Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper (zurzeit Gutachten nur eingeschränkt möglich) |
sonstige GUS-Staaten: | Wiss. Referentin Antje Himmelreich |
Estland, Lettland, Litauen: Gutachten zu den Rechtsordnungen der drei baltischen Staaten werden übernommen, falls zu der konkreten Gutachtenfrage im Institut hinreichend Material vorhanden ist oder beschafft werden kann. Dies wird im Einzelfall sorgfältig geprüft. Gutachten zu den Rechtsordnungen der baltischen Staaten erstellen Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper und Wiss. Referentin Antje Himmelreich.
Für Gutachten zu osteuropäischen Ländern, die die Länderreferentinnen und Länderreferenten des Instituts nicht abdecken, kann das Institut ggf. externe Expertinnen und Experten empfehlen.
Vergütung
Das Institut für Ostrecht rechnet Gutachten, die von öffentlichen Stellen erbeten werden, gemäß dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern, Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern, Zeugen und Dritten (JVEG) ab. Da die Erstellung auslandsrechtlicher Gutachten nicht ausdrücklich in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG genannt wird, gilt für sie § 9 Abs. 2 Satz 1 JVEG. Danach ist diese Tätigkeit „unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze nach billigem Ermessen mit einem Stundensatz zu vergüten, der den höchsten Stundensatz nach der Anlage 1 jedoch nicht übersteigen darf“. Der Stundensatz, den das Institut für Ostrecht nach dieser Maßgabe in Ansatz bringt, beträgt 155,00 EUR (siehe Nr. 36.2 Anlage 1 Teil 1) zzgl. Umsatzsteuer.
Für Privatgutachten wird ein abweichender Tarif berechnet. Auch Pauschalvergütungen und Preisobergrenzen können vereinbart werden.
Die Einnahmen aus der Gutachtentätigkeit erbringen den von den Zuwendungsgebern vorgesehenen Eigenfinanzierungsanteil.
Bearbeitung
Die Länderreferentinnen und -referenten des Instituts für Ostrecht erledigen Gutachtenaufträge grundsätzlich in der Reihenfolge ihres Eingangs. Falls in einem Länderreferat bereits zahlreiche oder umfangreiche Gutachten bearbeitet werden, kann es daher im Einzelfall zu Verzögerungen kommen, worüber der Auftraggeber informiert wird.
Hinweis zum Datenschutz
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Ostrecht sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das gilt auch für Personen, die im Einzelfall zu Ausbildungszwecken an der Gutachtenerstellung beteiligt werden können (Rechtsreferendarinnen und -referendare, Praktikantinnen und Praktikanten u.ä.). Falls in Absprache mit dem Gericht oder sonstigen Auftraggeber externe Gutachterinnen und Gutachter herangezogen werden, werden diese ebenfalls auf Verschwiegenheit verpflichtet und über die Anforderungen des Datenschutzes belehrt.
Im Rahmen der Erstellung eines Gutachtens können je nach Notwendigkeit folgende personenbezogene Daten erhoben werden: Aktenzeichen des Verfahrens einschließlich des befassten Gerichts; Namen und ggf. weitere personenbezogene Daten der Parteien; personenbezogene Daten Dritter, soweit sie für die Begutachtung der Rechtsfragen von Belang sind. Soweit diese Daten in den Gutachtentext aufgenommen werden, werden sie dauerhaft im IOR gespeichert, denn wir bewahren von jedem Gutachten den Gutachtenauftrag und eine Kopie auf. Personenbezogene Daten, die nicht Teil des Gutachtentextes werden, werden spätestens mit Fertigstellung des Gutachtens und Abschluss der Zahlungsvorgänge gelöscht.
Weitergabe der im IOR gespeicherten Daten: Gutachten werden auf Anfrage an deutsche Gerichte und Behörden, an Rechtsanwälte und Privatpersonen weitergeleitet. Einzelne Gutachten werden im „Jahrbuch für Ostrecht“ veröffentlicht. In diesen Fällen werden alle personenbezogenen Daten und Angaben, die zur Identifizierung der Prozessparteien dienen könnten, aus dem Text entfernt.
Gutachtentätigkeit des IOR im Laufe der Zeit
Die Schwerpunkte der Gutachtentätigkeit haben sich im Laufe der Zeit ausdifferenziert. Standen in den 1950er und 1960er Jahren Rentenfragen vertriebener Volksdeutscher sowie Probleme des Staatsangehörigkeits-, Ehe-, Kindschafts- und Erbrechts im Mittelpunkt, so betreffen heute Gutachten alle Fragen, die im Rechtsverkehr zwischen Nachbarn auftauchen können, von Verkehrsunfällen über Grundstücksrecht bis hin zum Handels- und Gesellschafts- sowie zum Vollstreckungsrecht. Seit den 1990er Jahren werden zunehmend sozialrechtliche Gutachten für Aussiedler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion nachgefragt. Im Hinblick auf manche Staaten spielen familien- und erbrechtliche Streitigkeiten immer noch eine herausragende Rolle
Die Gutachten zu Verkehrsunfällen zeigen exemplarisch, wie sich Änderungen des Gemeinschaftsrechts auf die Arbeit des IOR auswirken können: Durch die Eröffnung des Gerichtsstands für Unfallgeschädigte gegen Haftpflichtversicherer am Wohnort des Geschädigten nehmen vor deutschen Gerichten Verfahren deutscher Beteiligter an Unfällen im Ausland zu, die materiell-rechtlich nach dem Recht des Unfallortes zu beurteilen sind – und wenn dieser in Osteuropa liegt, nimmt das IOR zum anwendbaren Recht gutachterlich Stellung. Ebenso führt der unionsrechtlich begründete Gerichtsstand am Wohnort des Klägers bei Verbraucherverträgen zu einer Zunahme von Gutachten im Hinblick auf Dienstleistungen, die typischerweise grenzüberschreitend in Osteuropa in Anspruch genommen werden, z.B. ärztliche und zahnärztliche Behandlungen.
Bisweilen spiegeln sich in der Gutachtentätigkeit des IOR auch die außenpolitischen Aktivitäten der Bundesrepublik wider, etwa als zu prüfen war, ob aus dem Verkehrsunfall eines Fahrzeugs der Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina Haftungsansprüche des Zivilgeschädigten gegen die Bundesrepublik Deutschland entstehen.
In Folge der Intensivierung der rechtlichen Beziehungen und der Zuwanderung vervielfachte sich nach der Wende die Zahl der beim Institut für Ostrecht von Gerichten und Behörden angeforderten Rechtsgutachten. Heute erstellt das Institut im Jahr etwa 100 Gutachten.