Bosnien und Herzegowina
Länderreferent: Tomislav Pintarić
E-Mail: pintaric(at)ostrecht.de
Inhaltsverzeichnis:
Geschichte
Gegenwart
Recht und Justiz
Landesrelevante Links
Auf einen Blick:
offizieller Staatsname: | Bosnien und Herzegowina (Bosna i Hercegovina) |
Fläche: | 51.197 qkm |
Bevölkerung: | ca. 3,5 Millionen (Stand 2013) |
Hauptstadt: | Sarajevo (ca. 292.000 Einwohner in der Stadt und über 0,5 Mio. im Ballungsraum) |
Regierungsform: | parlamentarische Bundesrepublik mit Zweikammerparlament |
Verfassung: | Verfassung von Bosnien und Herzegowina vom 14.12.1995 |
Verwaltung: | Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina besteht aus zwei Entitäten, der Föderation Bosnien und Herzegowina (Federacija Bosne i Hercegovine) mit ca. 2.4 Mio. Einwohnern und der Republika Srpska mit ca. 1.3 Mio. Der Distrikt Brčko, der aus dem Gebiet um die gleichnamige Stadt mit 93.000 Einwohnern besteht, ist ein Kondominium beider Entitäten und untersteht unmittelbar dem Gesamtstaat. Die Föderation Bosnien und Herzegowina setzt sich aus zehn Kantonen zusammen, die über eigene Zuständigkeiten verfügen. Die Kantone sind in 79 Gemeinden untergliedert. Die Republik Srpska ist in fünf Regionen und 62 Gemeinden untergliedert. |
Justiz: | Das Verfassungsgericht hat einen selbständigen verfassungsrechtlichen Status und ist für den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina örtlich zuständig. |
Seite 2002 existiert das Gericht von Bosnien und Herzegowina, das durch den Hohen Repräsentanten im Jahre 2000 initiiert wurde. Dieses Gericht hat spezifische Aufgaben, um auf bestimmten Gebieten die effektive Verwirklichung der Zuständigkeiten des Staates Bosnien und Herzegowina sicherzustellen. | |
In den zwei Entitäten, die für die Ausgestaltung der Justiz selbstständig kompetent sind, existiert jeweils die ordentliche Gerichtsbarkeit mit drei Instanzen. Die Republika Srpska hat auch eine Handelsgerichtsbarkeit mit drei Instanzen eingeführt. In der Föderation BiH scheinen über Handelstreitigkeiten spezialisierte Abteilungen bei den ordentlichen Gerichten. | |
Währung: | Konvertible Mark (BAM) |
Die Konvertible Mark ist im festen Verhältnis 1,95583:1 an den Euro gebunden und entspricht somit dem Wert der früheren Deutschen Mark. | |
Wirtschaftsleistung: | BIP/Einwohner: 14.870 USD nominal, 26.256 USD in Kaufkraftparität (Angaben für 2018) |
Amtssprache: | Eine offizielle Amtssprache besteht nicht. Faktisch werden die drei Sprachen der konstitutionellen Völker amtlich benutzt, nämlich Bosnisch, Serbisch und Kroatisch. |
Nationalfeiertage: | In der Föderation BiH: 1. März, Unabhängigkeitstag (Dan nezavisnosti) |
In der Republika Srpska: 9. Januar als Tag der Republik (Dan Republike) und 21. November, Tag des Dayton-Abkommens |
Geschichte
Mitte des 11. Jahrhunderts gehörte das Gebiet des heutigen Bosnien und Herzegowina zum Königreich Kroatien. 1102 kam Kroatien in Personalunion zu Ungarn, nachdem der ungarische König auch zum kroatischen König gekrönt wurde. Bosnien und Herzegowina kam als Bestandteil Kroatiens ebenfalls unter ungarische Herrschaft. 1353 erreichte Bosnien als unabhängiges Gebilde unter seinem Herrscher Tvrtko I einen Höhepunkt an staatlicher Macht. Ende des 14. Jahrhunderts erschien an der östlichen Grenze von Bosnien und Herzegowina die Macht des Osmanischen Reiches. Nach langwierigen Kämpfen mit den Osmanen fiel Bosnien im 15. Jahrhundert unter die Herrschaft des Osmanischen Reiches und wurde größtenteils islamisiert. Mit dem Aufstand der Kroaten in der Herzegowina begann 1875 der Kampf um die Befreiung von der osmanischen Herrschaft. Dieser Kampf endete 1878 auf dem Berliner Kongress damit, dass Bosnien und Herzegowina als Protektorat Österreich-Ungarn zugeschlagen wurde und schließlich 1908 von Österreich-Ungarn annektiert wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg war Bosnien und Herzegowina Teil des Königreiches der Serben Kroaten und Slowenen und später eine Teilrepublik der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien.
In den Jahren 1992-1995 wütete der Bosnienkrieg, der 1995 mit der Annahme des Vertrages von Dayton, der am 14. Dezember in Paris unterzeichnet wurde, beendet wurde.
Gegenwart
Der Staat ging in seiner heutigen Form aus dem Abkommen von Dayton hervor und ist laut diesem Rechtsnachfolger der Republik Bosnien und Herzegowina, die unmittelbar nach einem Referendum Anfang 1992 gegründet wurde und während des Bosnienkrieges das einzige international anerkannte von insgesamt vier Staatsgebilden auf dem Territorium Bosnien-Herzegowinas war. Der Vertrag von Dayton beendete den Krieg im Land und schuf einen einheitlichen, jedoch stark dezentralisierten Staat, der starke Züge einer Konföderation aufweist. Heute besteht Bosnien und Herzegowina aus den beiden Entitäten Föderation Bosnien und Herzegowina (mehrheitlich von Bosniaken und Kroaten bevölkert) und Republika Srpska (mehrheitlich von Serben bevölkert). Das Sonderverwaltungsgebiet Brčko wurde nachträglich aus zu beiden Entitäten zugehörigen Anteilen der Region Brčko geschaffen und fungiert heute als Kondominium beider Entitäten, verwaltet sich jedoch selbständig.
Bosnien und Herzegowina hat ein semipräsidentielles Regierungssystem. Die Funktion des kollektiven Staatsoberhauptes obliegt der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, die aus drei Mitgliedern besteht, einem Bosniaken, einem Kroaten und einem Serben. Mitglieder der Präsidentschaft werden durch Direktwahlen in den zwei Entitäten gewählt. In der Föderation Bosnien und Herzegowina werden Vertreter von Kroaten und Bosniaken gewählt, während der Vertreter der Serben aus dem Gebiet der Republika Srpska gewählt wird. Die Mitglieder der Präsidentschaft werden für einen Zeitraum von vier Jahren gewählt. Der Vorsitzende der Präsidentschaft wechselt alle acht Monate.
Die Regierung wird vom Ministerrat von Bosnien und Herzegowina ausgeübt. Der Ministerrat besteht aus neun Mitgliedern: dem Vorsitzenden, zwei stellvertretenden Vorsitzenden, die gleichzeitig Minister sind, und sechs weiteren Ministern. Die Amtszeit des Vorsitzenden und der Mitglieder des Ministerrates beträgt vier Jahre. Jeder Minister hat einen Stellvertreter und es wurde auch das Amt des Sekretärs des Ministeriums eingeführt. Die Verteilung dieser Posten erfolgt nach nationalen Kriterien, damit verhindert wird, dass alle diese Funktionen von Vertretern eines oder nur zweier Völker wahrgenommen werden.
Die Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina ernennt den Präsidenten des Ministerrates, der sein Amt antritt, nachdem das Repräsentantenhaus von Bosnien und Herzegowina seine Ernennung bestätigt hat. Der Präsident schlägt die Namen der Kandidaten für die Minister vor, und das Repräsentantenhaus ernennt sie.
Die Parlamentarische Versammlung von Bosnien und Herzegowina (Parlament) ist die oberste gesetzgebende Körperschaft in Bosnien und Herzegowina und besteht aus zwei Häusern – dem Repräsentantenhaus und dem Haus der Völker. Alle gesetzgeberischen Entscheidungen werden durch Annahme in beiden Häusern der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina beschlossen.
Das Repräsentantenhaus hat 42 Mitglieder, von denen zwei Drittel direkt aus dem Hoheitsgebiet der Föderation Bosnien und Herzegowina und ein Drittel aus dem Hoheitsgebiet der Republika Srpska gewählt werden. Ein Quorum besteht aus der Mehrheit aller in das Repräsentantenhaus gewählten Mitglieder.
Das Haus der Völker der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina besteht aus 15 Delegierten, von denen zwei Drittel, je fünf Bosniaken und Kroaten aus der Föderation Bosnien und Herzegowina bilden und ein Drittel besteht aus fünf Serben der Republika Srpska. Das für die Entscheidungsfindung im Haus der Völker erforderliche Quorum besteht aus neun Delegierten, sofern mindestens drei bosniakische, drei kroatische und drei serbische Delegierte anwesend sind.
Recht und Justiz
In der Nachkriegszeit stand in Bosnien und Herzegowina das Justizsystem vor einer Reihe von Herausforderungen, wie etwa dem Mangel an Unabhängigkeit in der Justiz aufgrund des früheren politischen Systems. In dem Bestreben, die Zuständigkeiten zu trennen und politische Eingriffe in die Arbeit der Gerichte zu unterbinden, wurde das Justizsystem mit dem Ziel reformiert, seine Unabhängigkeit zu verbessern und die Effizienz zu steigern.
Aufbau der Gerichtbarkeit in der Föderation Bosnien und Herzegowina
Die erste Phase der Reform begann im Jahr 2001. Zunächst wurden 2003 drei Hohe Justiz- und Strafverfolgungsräte (High Judicial and Prosecutorial Council, HJPC) eingerichtet, die 2004 zu einem HJPC zusammengelegt wurden. Im Jahr 2003 wurden das Justizministerium von Bosnien und Herzegowina, das Gericht von Bosnien und Herzegowina und die Staatsanwaltschaft von Bosnien und Herzegowina eingerichtet. Die Ausarbeitung eines Rahmenrechts für das Strafrecht auf gesamtstaatlicher Ebene begann alsbald darauf. Im Juni 2008 verabschiedeten die zuständigen Justizbehörden eine Strategie zur Reform des Justizsektors.
Aufbau der Gerichtbarkeit in Republika Srpska
Nach der Verfassung von Bosnien und Herzegowina liegt die Kompetenz für die Justiz bei den zwei Entitäten. Auf der Ebene des Gesamtstaates hat das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina die Zuständigkeit über Berufungen gegen Urteile der obersten Gerichte der zwei Entitäten zu entscheiden und übernimmt so in gewisser Weise auch die Rolle eines Obersten Gerichtes von Bosnien und Herzegowina.
Daneben besteht auf Gesamtstaates Ebene auch das Gericht von Bosnien und Herzegowina, das die effektive Verwirklichung der Zuständigkeiten des Staates Bosnien und Herzegowina sicherstellen soll, sowie die Beachtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.
Landesrelevante Links
1. Oberste Verfassungsorgane, Rechtsordnung:
Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina
Parlamentarische Versammlung (Parlament)
Haus der Völker
Regierung
Verfassungsgericht
Oberstes Gericht der Föderation BiH
Oberstes Gericht der Republika Srpska
Službeni list (Gesetzblatt)
2. Außenvertretungen:
Botschaft in Deutschland
Generalkonsulat in München
Deutsche Botschaft in Sarajevo
3. Wirtschaft:
Deutsche Außenhandelskammer in Bosnien und Herzegowina
Ostausschuss der deutschen Wirtschaft
4. Rechtswissenschaft
Handbuch Wirtschaft und Recht in Osteuropa
Wirtschaft und Recht in Osteuropa