Polen

Länderreferentin: Tina de Vries
E-Mail: tina.devries(at)ostrecht.de

Inhaltsverzeichnis:

Geschichte
Gegenwart
Recht und Justiz
Polnische Periodika am IOR
Landesrelevante Links

Auf einen Blick:

offizieller Staatsname:Republik Polen (Rzeczpospolita Polskiej)
Fläche:312.679 qkm
Bevölkerung:ca. 38,4 Millionen (Stand Mitte 2020)
Hauptstadt:Warschau (ca. 1,8 Mio. Einwohner, in der Woiwodschaft Mazowiecki als Ballungsraum ca. 3,3 Mio. Einwohner)
Regierungsform:parlamentarische Republik mit starkem Ministerpräsidenten
Verfassung:Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997
Verwaltung:16 regionale Verwaltungseinheiten (poln.: Województwo)
Justiz:dreistufige ordentliche Gerichtsbarkeit mit dem Obersten Gericht (poln.: Sąd Najwyższy) als weiteres Gericht
Währung:Złoty (PLN), 1,- € entspricht ungefähr 4,5,- PLN
Wirtschaftsleistung:BIP/insgesamt 2020: 582494,9 Mio PLN (Angaben für 2020)
Amtssprache:Polnisch; in Polen gilt die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
Nationalfeiertage:3. Mai; 11. November

Geschichte

Im zehnten Jahrhundert wurde Polen, wie andere europäische Nationen, zum Staat. Im Jahr 966 nahm Herzog Mieszko (um 960–992) das Christentum an und machte Gnesen (Gniezno) in Großpolen zur ersten Hauptstadt.

Im Jahr 1791 bekam Polen die erste geschriebene Verfassung Europas. Dennoch konnte hierdurch nicht die anschließenden Teilungen Polens (1771, 1772 und 1795) verhindert werden.

Erst nach dem ersten Weltkrieg, 1918, kam es zur Wiederentstehung des polnischen Staats. Am 17. März 1921 wurde die Märzverfassung verabschiedet. Im April 1935 wurde eine autoritäre Verfassung verabschiedet.

Der polnische Staat übernahm zunächst das in den einzelnen Teilungsgebieten vorgefundene jeweils geltende österreichische, preußische, russische und französische Recht. Im Jahr 1919 wurde eine Kodifikationskommission eingesetzt, die die Aufgabe hatte, ein neues Privatrecht zu schaffen, das auf den Erfahrungen der Kern-Rechtsordnungen aufbauen sollte. Darüber hinaus griff die Kommission schweizerische Lösungen auf.

Das Privatrecht wurde bis 1939 nur in einigen Teilbereichen – Internationales und Interlokales Privatrecht (1926), Obligationenrecht (1933), und Handelsrecht (1933/34) – vereinheitlicht; das Personen- und Familienrecht richtete sich weiterhin nach sechs verschiedenen Rechtsordnungen.

Eine Vereinheitlichung des gesamten Privatrechts ist erst durch mehrere Dekrete von 1945/46 erzielt worden, die 1950 durch ein Gesetz über die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts ersetzt wurden sind.

Ab der Mitte der 1950er Jahre setzte eine Rückkehr von der seit 1950 eingeleiteten Sowjetisierung des polnischen Rechts zur eigenen mit westeuropäischen Rechtssystemen verwandten Rechtstradition ein. Das Ergebnis dieser Entwicklung waren die Kodifikationen von 1964/65: Zivilgesetzbuch (ZGB), Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch, Zivilverfahrensgesetzbuch und Gesetz über das Internationale Privatrecht.

Der Sozialismus hat in Polen Spuren hinterlassen, noch heute dominiert deshalb der Kultur- und Wissenschaftspalast (Baudenkmal seit 2007) die Sykline von Warschau.

Sieht man von den typisch sozialistischen Regelungen (vergesellschaftetes Eigentum und vergesellschafteter Wirtschaftsverkehr) ab, so ist festzustellen, dass das ZGB sowohl in Gliederung und Aufbau, der Voranstellung eines allgemeinen Teils und der Terminologie als auch in Bezug auf zahlreiche Regelungskomplexe (Rechtsgeschäft, Vertrag u.a.) weitgehende Ähnlichkeiten mit dem deutschen BGB aufweisen. Wegen ihrer grundsätzlichen Ausrichtung an westeuropäischen Vorbildern haben diese Kodifikationen den Übergang von der Diktatur zum demokratischen Rechtsstaat (1989/90) ohne durchgreifende Korrekturen überstanden, sieht man von der Reinigung des Zivilgesetzbuchs vom typisch sozialistischen Recht ab.

Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begann dieser Prozess erst viel später. Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfolgte 1980, der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) wurde 1985 geschaffen und der Ombudsmann für Bürgerrechte 1987.

(Leseempfehlung allgemein zur polnischen Geschichte: D.Bingen: 1000 Jahre wechselvoller Geschichte)

Gegenwart

Die grundlegenden Reformen auf Gebiet des Verfassungs- und Verwaltungsrechts wurden erst in der Zeit des gesellschaftspolitischen Umbruchs 1989/90 durchgeführt und haben mit der Verabschiedung der Verfassung vom 2.4.1997  und des neuen Gesetzes über den VerfGH vom 1.8.1997  sowie mit der 1998 beschlossenen Neugliederung des Staates und der Einführung der territorialen Selbstverwaltung in den Kreisen und Woiwodschaften  – neben der bereits seit 1990 bestehenden Gemeindeselbstverwaltung  – ihren vorläufigen Abschluss gefunden.

Kraukau war bis 1596 Hauptstadt des Königreichs Polen, die Herrscher residierten auf dem Wavel, heute ist Kraukau die Hauptstadt der Woiwodschaft Kleinpolen.

2004 trat Polen der EU bei. Seit 2015 setzten Tendenzen zu einem Verständnis des Staates, das weniger vom Rechtsstaat geprägt ist, ein. So wurde z.B. das Gesetz über den VerfGH 2015–2016 mehrfach geändert. Diese Änderungen und auch die personellen Neubesetzungen des VerfGH haben dazu geführt, dass die Unabhängigkeit des Gerichtshofs in Frage gestellt wird.

Recht und Justiz

Die Republik Polen ist nach Art 2 ihrer Verfassung »ein demokratischer Rechtsstaat, der die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit verwirklicht«. Der umfassende Grundrechtskatalog der Verfassung (Art 30–81) enthält die klassischen, sowohl in den einschlägigen Menschenrechtskonventionen als auch in den Verfassungen der EU-Mitgliedsstaaten verbrieften Grundrechte.

Polen ist ein dreistufig aufgebauter Einheitsstaat, der aus 16 Woiwodschaften (Regierungsbezirken) besteht. Die Woiwodschaften gliedern sich in Kreise und diese in Gemeinden; daneben gibt es zahlreiche den Kreisen gleichgestellte kreisfreie Städte. Die Bevölkerung in den Woiwodschaften, Kreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden bildet kraft Gesetzes eine mit Rechtspersönlichkeit und eigenem Vermögen ausgestattete Selbstverwaltungsgemeinschaft.

Es werden nach der Verfassung nur die im Gesetzblatt bekannt gemachten Gesetz, ratifizierten völkerrechtlichen Verträge und die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassenen Verordnungen anerkannt. Beschlüsse und Anordnungen der Regierung haben ausschließlich internen Charakter und sind nur für die untergeordneten Behörden verbindlich. Rechtsvorschriften, die von den Organen der territorialen Selbst- oder Regierungsverwaltung erlassen werden, gelten als Ortsrecht nur im Zuständigkeitsbereich dieser Organe, d.h. Woiwodschaft, Kreis, Gemeinde (Art 87–94 Verf).

In Polen gibt es neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine Verwaltungsgerichtsbarkeit mit zwei Instanzen. Der VerfGH ist in Art 188–197 Verf verankert.

Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist im Gerichtsverfassungsgesetz von 2001 geregelt, das 2017 maßgeblich geändert wurde, wobei diese Änderungen der EU-Kommission sowie der Venedig-Kommission Anlass zu Rügen gaben.

Das Oberste Gericht hat seinen Sitz in Warschau

Grundsätzlich ist die Gerichtsbarkeit dreistufig aufgebaut und besteht aus: Rayonsgerichten, Bezirksgerichten als Erstinstanz- und Rechtsmittelgerichten und Appellationsgerichten als reinen Rechtsmittelgerichten. Das Oberste Gericht steht außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Als oberstes Gerichtsorgan Polens übt es die Rechtsprechungsaufsicht über alle anderen Gerichte aus.

In Polen gibt es eine Vielzahl von Universitäten. Die älteste ist die Krakauer Jagiellonen Universität, die im Jahr 1364 gegründet wurde. Weitere bekannten staatlichen Universitäten, die ein rechtswissenschaftliches Studium anbieten, sind die Universitäten Warschau, Breslau, Posen, Danzig und Lublin. Neben den staatlichen Universitäten bestehen eine Vielzahl von privaten Universitäten. Die Universität Viadrina in Frankfurt/O. mit dem Collegium Polonicum in Słubice bietet ein juristisches Studium für deutsche und polnische Studenten an, mit der Möglichkeit sowohl deutsches als auch polnisches Recht zu studieren. An der Krakauer Schule für Richter und Staatsanwälte werden Rechtsreferendare, die Richter oder Staatsanwälte werden wollen, zentral ausgebildet.

Periodika:

1. Ausgelaufene Periodika

Titel des PeriodikumsZeitraum
Annales Universitatis Mariae Curie-Skłodowska, Sectio G1956-2016
Monitor Prawniczy1998-2015
Nowe Prawo. (Ab 1991 Przegląd sądowy)1956-1991
Palestra1958-2008
Przegląd Prawa Handlowego1994-2006
Przegląd Prawa i Administracji2001-2002
Rejent1995-2005
Ruch Prawniczy, Ekonomiczny i Socjologiczny1987-2019

2. Laufender Bezug

Titel des PeriodikumsZeitraum
Kwartalnik Prawa Prywatnegoab 1992
Orzecznictwo Sądów Polskich.ab 1957
Państwo i Prawoab 1956
Przegląd sądowy (bis 1991 Nowe Prawo)ab 1991
Transformacje Prawa PrywatnegoOnline-Archiv

1. Oberste Verfassungsorgane, Rechtsordnung:

Sejm (Parlament)
Polnische Gesetze im Internet
Senat
Regierung
Präsident
Verfassungsgerichtshof
Oberstes Gericht
Oberstes Verwaltungsgericht

Rechtsprechung:

Oberstes Gericht
Oberstes Verwaltungsgericht
Instanzgerichte
Grundbuch

2. Außenvertretungen:

Botschaft der Republik Polen in Deutschland

Generalkonsulate:

3. Wirtschaft:

Wirtschaftsverbände:
Landes-Industrie- und Handelskammer
Gewerkschaften