Slowakische Republik
Länderreferent: Jan Sommerfeld
E-Mail: sommerfeld(at)ostrecht.de
Inhaltsverzeichnis:
Geschichte
Gegenwart
Recht und Justiz
Landesrelevante Links
Auf einen Blick:
offizieller Staatsname: | Slowakische Republik, (Slovenská republika) |
Fläche: | 49.034 qkm |
Bevölkerung: | ca. 5,5 Mio. Einwohner (Stand: 2019) |
Hauptstadt: | Bratislava, ca. 440.000 (Stand: 2019) |
Regierungsform: | parlamentarische Republik |
Verfassung: | Verfassung der Slowakischen Republik vom 1. September 1992 (Verfassungsgesetz Nr. 460/1992 Zb.) |
Verwaltung: | 8 Verwaltungsregionen, 79 Verwaltungsbezirke, Städte und Gemeinden |
Justiz: | dreistufiger Gerichtsaufbau, auf der Ebene des Oberstengerichtes wird zwischen Obersten Gericht und Obersten Verwaltungsgericht diffrenziert |
Währung: | Euro (EUR), seit 2009 |
Wirtschaftsleistung: | BIP/Einwohner: 19.344,- US$ nominal, 34.202,- US$ in Kaufkraftparität (Angaben für 2019) |
Amtssprache: | Slowakisch, einen besonderen Status genießen die Minderheitensprachen und die tschechische Sprache |
Nationalfeiertage: | 1. Januar: Tag der Entstehung der Slowakischen Republik (1993) 5. Juli: Tag der Slawenapostel Kyrill und Method (863 - Ankunft der beiden Missionare im Mährerreich) 29. August: Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstand (1944) 1. September: Tag der Verfassung der Slowakischen Republik (1992) 28. Oktober: Tag der Entstehung des selbständigen tschechoslowakischen Staats (1918), kein Tag der Arbeitsruhe 17. November: Tag des Kampfs für Freiheit und Demokratie und internationaler Studententag (1939 - Schließung der tschechischen Hochschulen durch die Nazis, 1989 - Studentenproteste als Ausgangspunkt für die Samtene Revolution) |
Geschichte
Die Anfänge ihrer Staatlichkeit sieht die heutige Slowakei im Großmährischen Reich des 8. und 9. Jahrhunderts. Seit seiner Begründung um das Jahr 1000 herum umfasste der ungarische Staat auch den nördlichen Teil des Karpatenbeckens. Das Gebiet der heutigen Slowakei wurde „Oberland“ genannt, eine Bezeichnung, die in Ungarn bis heute für die Slowakei verwendet wird, in der Slowakei selbst aber nicht gerne gehört wird. Die slowakischen Siedlungsgebiete bildeten innerhalb des ungarischen Staates keine eigene Verwaltungseinheit, sondern waren in die allgemeine Komitatsstruktur eingegliedert. Ungarisches Recht galt ohne Besonderheiten auch in den slowakisch besiedelten Gebieten des Staates.
Mit dem Aufkommen der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts war die Slowakei einer der industriellen Kernräume Ungarns, darin den Ländern der böhmischen Krone und ihrer wirtschaftlichen Rolle im österreichischen Reichsteil nicht unähnlich. Um diese Zeit nahm auch die Sprach- und Nationalbewegung der Slowaken an Fahrt auf. Sie stützte sich stark auf die Aktivitäten der Gemeindepfarrer, während die katholische Amtskirche eine Stütze der ungarischen Herrschaft über die Slowaken blieb. 1863 wurde die Matica slovenská als zentrale Institution der slowakischen Sprach- und Kulturpflege gegründet. Sie besteht bis heute.
Nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns bildeten die ehemals österreichischen Länder der böhmischen Krone zusammen mit den ehemals ungarischen Siedlungsgebieten der Slowaken die Tschechoslowakei, die am 28. Oktober 1918 ihre Unabhängigkeit erklärte. Ihrer Gründung lag der sog. „Tschechoslowakismus“, die Idee einer einheitlichen Nation von Tschechen und Slowaken, zugrunde. Trotz dieser unitarischen Staatsdoktrin wuchsen die tschechischen und die slowakischen Teile nur langsam zusammen. So galt in der Slowakei grundsätzlich das ererbte ungarische Recht fort, während im westlichen Teil der Tschechoslowakei österreichisches Recht in Geltung blieb. Auch das Nationalgefühl der Slowaken ging nie völlig im Tschechoslowakismus auf.
Daher gab es für das nationalsozialistische Deutschland bei der Zerschlagung der Tschechoslowakei genug Ansatzpunkte, im slowakischen Teil einen eigenen Marionettenstaat, den Slovenský štát, ins Leben zu rufen. Dieser bisweilen „Erste Slowakische Republik“ genannte Staat existierte von 1939 bis 1945. Die südlichen, von Ungarn bewohnten Gebiete wurden bereits 1938 Ungarn angegliedert, 1939 erwarb Ungarn auch die Karpatoukraine.
1945 wurde die Tschechoslowakei in ihren alten Grenzen wiederhergestellt, nur die Karpatoukraine kam zur Sowjetunion. 1948 übernahmen die Kommunisten mit Rückendeckung aus Moskau die Macht und formten die Tschechoslowakei zu einem sozialistischen Staat um. Hiervon blieb auch die Slowakei nicht verschont. An den Ereignissen des Prager Frühlings 1968 nahmen die Slowaken regen Anteil; einer der führenden Politiker von 1968, Alexander Dubček, war Slowake.
Auch wenn der Prager Frühling von den Panzern des Warschauer Pakts überrollt wurde, blieben einige seiner Ergebnisse auch nach 1968 bestehen. So war klar geworden, dass der Tschechoslowakismus keine tragfähige Basis für den tschechoslowakischen Staat mehr bildete. Ab 196í war die Tschechoslowakei ein Föderalstaat aus einer tschechischen und einer slowakischen Republik, sodass die Slowaken – wenn auch auf nur auf der Ebene eines Bundesstaats – über ihren eigenen Staat verfügten. Für die Slowakische Republik war Slowakisch Amtssprache, das auch zur zweiten offiziellen Staatssprache auf Bundesebene avancierte.
1989 beendete die sog. „Samtene Revolution“, die in der Slowakei „Sanfte Revolution“ (nežná revolúcia) genannt wurde, die sozialistische Herrschaft. Auf Bundesebene und in den beiden Republiken wurde das sozialistische System durch einen Rechtsstaat mit Mehrparteiendemokratie, Menschenrechten und Marktwirtschaft ersetzt.
Letztlich aufgrund eines Konflikts zwischen der slowakischen und der tschechischen politischen Elite ging die Slowakei den Weg in die Unabhängigkeit. Seit dem 1. Januar 1993 existiert die Tschechoslowakei (ČSFR) nicht mehr und die Slowakei ist ein unabhängiger Staat.
Sowohl die Tschechische Republik als auch die Slowakei haben bestimmt, dass sie ohne Vorbehalte die völkerrechtliche Rechtsnachfolge der ČSFR zum 1. Januar 1993 antreten.
Durch Art. 152 der Verfassung der Slowakischen Republik wurde die bis dahin auf dem Gebiet des Teilstaates Slowakische Republik bestehende Rechtsordnung der ČSFR übernommen, sodass alle zum 31. Dezember 1992 sich in Kraft befindlichen Normativakte zum 1. Januar 1993, sofern sie nicht gegen die neue Verfassung verstießen, die Rechtsordnung der nunmehr völkerrechtlich selbstständigen Slowakischen Republik bildeten. Dementsprechend wurden auch alle völkerrechtlichen Verpflichtungen sowie bilaterale und multilaterale Übereinkommen der ČSFR übernommen oder anerkannt.
Gegenwart
Nach dem „verlorenen Jahrzehnt“ der 1990er Jahre holte die Slowakei etwa ab der Jahrtausendwende auf und konnte 2004 der Europäischen Union beitreten. Keine fünf Jahre später führte sie zum 1. Januar 2019 den Euro als Währung ein. Von diesem Schritt profitiert bis heute die industriell geprägte und exportorientierte Wirtschaft des Landes. Der wichtigste Handelspartner der Slowakei ist dabei Deutschland. Rund ein Fünftel der Einfuhren und Ausfuhren entfallen auf den Handel mit der Bundesrepublik. Mit großem Abstand folgt die Tschechische Republik als zweitwichtigster Handelspartner. Auf sie entfallen rund zehn Prozent des Außenhandelsvolumens.
Besonders stark ausgeprägt ist der Automobilsektor in der Slowakei. Jedes Jahr werden dort rund 1 Mio. Fahrzeuge produziert. Kein anderes Land in der EU stellt mehr Automobile pro Kopf her.
In der Slowakei wird bei der Volkszählung nicht nur die „Staatsbürgerschaft“ („štátne občianstvo“), sondern auch die „Nationalität“ („národnosť) im Sinne der ethnischen Volkszugehörigkeit erfasst. Ungefähr jeder zehnte slowakische Staatsbürger sieht sich danach der Volksgruppe der Magyaren zugehörig. Die Magyaren sind damit noch vor den Roma (laut offizieller Statistik rund zwei Prozent der) die größte ethnische Minderheit.
Die Sprachen der ethnischen Minderheiten haben einen besonderen Status. In Gemeinden, in denen in zwei aufeinanderfolgenden Volkszählungen mindestens 15 % der Bewohner als Angehörige einer ethnischen Minderheit erfasst wurden, sind diese dazu berechtigt, diese Sprache neben der slowakischen im Verkehr mit den örtlichen Behörden zu verwenden. Einen Sonderstatus kommt in der Slowakei weiterhin auch der tschechischen Sprache zu. Diese darf unter bestimmten Voraussetzungen im Amtsverkehr verwendet werden. Werden slowakischen Behörden Urkunden in tschechischer Sprache vorgelegt, darf in der Regel keine Übersetzung verlangt werden.
Aufgrund der gemeinsamen Geschichte besteht auch heute noch eine enge Partnerschaft zwischen der Slowakei und Tschechien. Aus diesem Grund führt der erste Antrittsbesuch des slowakischen und tschechischen Staatsoberhaupts traditionell in das jeweilige Nachbarland.
Auf der Ebene der EU arbeitet die Slowakei innerhalb der sog. Visegrád-Gruppe nicht nur mit der Tschechischen Republik, sondern auch mit Polen und Ungarn besonders eng zusammen; jedoch hat die Slowakei etwa seit 2015 etwas mehr Abstand von der Visegrád-Kooperation genommen.
Recht und Justiz
Die Slowakei ist eine parlamentarische Demokratie, wobei das Parlament mit dem Nationalrat (Národná rada Slovenskej republiky) aus einer Kammer besteht. Staatsoberhaupt ist der Präsident. Seit 1999 wird dieser direkt vom Volk gewählt.
Der Staat gliedert sich in 8 Verwaltungsregionen (kraj, kraje). Eine weitere Gliederungsebene zwischen Städten (mesto, mesta)/Gemeinden (obec, obce) und Verwaltungsregionen bilden die (Verwaltungs-)bezirke (okres, okresy).
Der Gerichtsaufbau ist in der Slowakei dreistufig:
- Oberstes Gericht der SR (Najvyšší súd SR) / Oberstes Verwaltungsgericht (Najvyšší správny súd)
- Regionalgerichte (krajské súdy) / Spezialisiertes Strafgericht (Špecializovaný trestný súd)
- Bezirksgericht (okresné súdy)
Eine besondere Stellung im Justizsystem der Slowakei nimmt das Spezialisierte Strafgericht (Špecializovaný trestný súd) mit Sitz in Pezinok ein. Das spezialisierte Strafgericht ist als Gericht erster Instanz für Strafverfahren in Sachen Korruption, organisiertes Verbrechen und Straftaten von Verfassungsorganen zuständig. Anklagebehörde vor diesem Gericht ist die Spezialisierte Staatsanwaltschaft (Úrad špeciálnej prokuratúry). Die spezialisierte Staatsanwaltschaft hat z.B. die Ermittlungen hinsichtlich des Mords an dem slowakischen Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten geleitet.
Seinen Sitz hat das Verfassungsgericht in Košice, der zweitgrößten Stadt der Slowakei. Das Oberste Gericht und das Oberste Verwaltungsgericht sind hingegen in der Hauptstadt Bratislava ansässig.
Während in der Tschechischen Republik 2012 ein neues Bürgerliches Gesetzbuch verabschiedet wurde, welches seit dem 01. Januar 2014 in Kraft ist, bildet in der Slowakei weiterhin das BGB aus dem Jahr 1964 (Gesetz Nr. 40/1964 Zb.) eine der bedeutendsten Quellen des Privatrechts. Da das slowakische BGB im Wesentlichen mit dem bis Ende 2013 in der Tschechischen Republik geltenden BGB übereinstimmt, wird auch heute noch in der slowakischen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung auf das tschechische Schrifttum und die Rechtsprechung Bezug genommen.
Landesrelevante Links
1. Oberste Verfassungsorgane, Rechtsordnung
Staatspräsident
Regierung
Nationalrat
Verfassungsgericht
Oberstes Gericht
Justizministerium/Justizportal
Generalstaatsanwaltschaft
Gesetzessammlung
Zákony pre ľudí: private Gesetzesdatenbank
2. Außenvertretungen:
Botschaft der Slowakischen Republik in Deutschland
Generalkonsulat der Slowakischen Republik in München
Deutsche Botschaft in Bratislava
3. Wirtschaft
Katasterportal der Slowakischen Republik
Slowakisches Handelsregister
AHK Slowakei
4. Rechtswissenschaft
Juristische Fakultät der Matej-Bel-Universität Banská Bystrica
Juristische Fakultät der Universität Trnava
Juristische Fakultät der Comenius-Universität Bratislava
Jurisitische Fakultät der Pavol-Jozef-Šafárik-Universität in Košice