Montenegro

Länderreferent: Tomislav Pintarić
E-Mail: pintaric(at)ostrecht.de

Inhaltsverzeichnis:

Geschichte
Gegenwart
Recht und Justiz
Landesrelevante Links

Auf einen Blick:

offizieller Staatsname:Montenegro (Crna Gora)
Fläche:13.812 qkm
Bevölkerung:ca. 622.000 Einwohner (Stand 2020)
Hauptstadt, Residenzstadt:Hauptstadt: Podgorica (ca. 150.000 Einwohner, Stand 2011)
Residenzstadt: Cetinje (ca. 14.000 Einwohner, Stand 2011)
Regierungsform:parlamentarische Republik
Verfassung:Verfassung der Republik Montenegro vom 19.10.2007
Verwaltung:Einheitsstaat mit 24 Gemeinden
Justiz:gegliederte Einheitsgerichtsbarkeit mit allgemeinen, Handels-, Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitengerichten; separat von dieser Justiz besteht ein Verfassungsgericht
Währung:Euro aufgrund einseitiger Erklärung; kein Mitglied der Europäischen Währungsunion
Wirtschaftsleistung:BIP/Einwohner: 7.647,- US$ nominal, 17.735,- US$ in Kaufkraftparität (Angaben für 2017)
Amtssprache:die Verfassung benennt die Amtssprache als Montenegrinisch (ein Bestandteil des serbokroatischen Sprachkontinuums) in lateinischer und kyrillischer Graphie; Minderheitensprachen auf örtlicher Ebene zugelassen
Nationalfeiertage:13. Juli

Geschichte

Die Geschichte eines eigenständigen montenegrinischen Staates reicht bis in das Spätmittelalter zurück. Die im montenegrinischen Bergland herrschenden Fürstbischöfe schafften es, sich und dem Land eine gewisse Unabhängigkeit von den ansonsten in der Region herrschenden Osmanen zu bewahren. 1852 wurde die Staatsform in ein weltliches Fürstentum umgewandelt, 1910 erhöhten die montenegrinischen Herrscher ihren Rang und riefen das Königreich aus.

1918 wurde auch Montenegro in den jugoslawischen Staat integriert. Das sozialistische Jugoslawien erkannte die Montenegriner zwar nicht als eigenes Volk an. Dass im jugoslawischen Föderalismus dennoch auch eine montenegrinische Teilrepublik existierte, lag v.a. an der Rücksichtnahme auf die jahrhundertealte Tradition eines eigenen montenegrinischen Staates. 1946 erging die Verfassung der Volksrepublik Montenegro.

Im Zuge des Zerfalls Jugoslawiens blieb Montenegro zunächst bei Serbien, mit dem es ab 1992 eine Bundesrepublik und ab 2003 eine wesentlich losere Staatengemeinschaft bildete. Letztere akzeptierte Montenegro v.a. auf westlichen Druck hin; nachdem die dreijährige „Stillhaltefrist“ in der Verfassungscharta der Staatengemeinschaft abgelaufen war, erklärte Montenegro 2006 nach einem Referendum seinen Austritt aus der Staatengemeinschaft und seine volle Unabhängigkeit.

Gegenwart

Ein Hauptproblem Montenegros ist die ungeklärte Identität und Loyalität eines beträchtlichen Teils seiner Bevölkerung. In Volkszählungen gibt etwas weniger als die Hälfte „montenegrinisch“ als ethnische Zugehörigkeit an, während die Zahl der sich als „serbisch“ Definierenden etwas mehr als ein Viertel beträgt. Dabei spielen bei der Selbstidentifizierung weniger ethnisch-sprachliche Faktoren eine Rolle, sondern mindestens ebenso stark ist, ob der Betreffende die Existenz eines unabhängigen montenegrinischen Staates akzeptiert oder eine staatliche Bindung an Serbien bevorzugt. Die ungeklärte Identität des „Montenegrinischen“ strahlt sogar auf die orthodoxe Kirche aus, die zwischen einer serbischen und einer montenegrinischen Variante zerrissen ist. Die Frage der weiteren Minderheiten im Land – Albaner, Bosniaken und weitere muslimische Gruppen, Roma und andere – steht im Schatten dieses ungeklärten montenegrinisch-serbischen Selbstverständnisses.

Das seit 2006 vollständig unabhängige Montenegro strebt die EU-Mitgliedschaft an. 2012 begannen die offiziellen Beitrittsverhandlungen, die allerdings eher schleppend verlaufen. Die NATO-Mitgliedschaft erwarb Montenegro 2017, was zu Verstimmungen mit Russland führte. Dennoch ist Russland weiterhin ein wichtiger außenpolitischer und außenwirtschaftlicher Partner Montenegros, und zahlreiche russische Staatsbürger halten Grundstücke in Montenegro, v.a. in den attraktiven Küsten- und Berglagen.

Neben Korruption und Vetternwirtschaft ist die schwache Ökonomie ein Hauptproblem des Landes. Beides wird durch die kleine Größe Montenegros befördert. Eine in weiten Teilen rückständige Landwirtschaft und der Tourismus sind die Hauptpfeiler. Die wirtschaftliche Schwäche führt zu einer hohen Auswanderung und einer beständig sinkenden Wohnbevölkerung.

Recht und Justiz

Seit der Modernisierung des montenegrinischen Staates und seiner Rechtsordnung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand die montenegrinische Rechtsentwicklung im Schatten des großen Nachbarn Serbien mit seiner ungleich größeren rechtlichen und rechtswissenschaftlichen Infrastruktur. Dennoch gelang es Montenegro dank dem Universalgelehrten Bal­tazar Bogišić, gewisse eigene Akzente zu setzen: Sein Allgemeines Vermögensgesetzbuch von 1888 war die Frucht umfangreicher rechtsvergleichender Vorarbeiten an zahlreichen europäischen Universitäten. Ab 1918 teilte Montenegro die Rechtsentwicklung des bürgerlichen und dann des sozialistischen Jugoslawiens.

Als Juniorpartner der Bundesrepublik Jugoslawien (1992-2003) und der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro (2003-2006) standen die Rechtsentwicklung und die Rechtskultur Montenegros unter serbischem Einfluss. Insbesondere im Wirtschaftsrecht setzte der montenegrinische Gesetzgeber aber eigene liberale Akzente, z.B. durch die Ersetzung des serbischen Dinars durch den Euro. Auch heute noch bildet die montenegrinische Rechtsordnung einen Bestanteil des postjugoslawischen Rechtsraums. Sie orientiert sich an der Gesetzgebung und der Rechtswissenschaft v.a. von Serbien, Slowenien und Kroatien.

In der jüngeren Verfassungsgeschichte spiegelt sich der lange Weg zur Unabhängigkeit wider. Die erste postsozialistische Verfassung wurde 1992 erlassen. Sie beendete zwar endgültig die sozialistische Verfassungsordnung, beließ es aber bei der Zugehörigkeit Montenegros zu dem (rest-)jugoslawischen Bundesstaat. Nach der Unabhängigkeit 2006 erging 2007 ein neues Grundgesetz, das der vollen staatlichen Unabhängigkeit Rechnung trägt. Diese neue Verfassung betont u.a. die Umwelt sehr stark und definiert Montenegro als „ökologischen Staat“. Dennoch sind die ökologischen Probleme des Landes, verursacht u.a. durch einen ungesteuerten Tourismus, beträchtlich.

Die Gerichtsbarkeit ist für ein Land von der Größe Montenegros erstaunlich reich untergliedert. Die ordentliche Gerichtsbarkeit besteht aus 15 Grundgerichten, zwei Obergerichten, einem Appellationsgericht und dem Obersten Gericht. Ein Verwaltungsgericht und ein Handelsgericht bilden die Eingangsinstanz für Verwaltungs- bzw. Wirtschaftsstreitigkeiten. Aus den Einheitsgerichten ausgegliedert sind die Ordnungswidrigkeitengerichte, von denen es auf der unteren Ebene drei und auf der Ebene der Obergerichte eines gibt. Die Gerichtspyramide stellt sich wie folgt dar:

 

1. Oberste Verfassungsorgane, Rechtsordnung:

Staatspräsident
Parlament
Regierung
Verfassungsgericht
Oberstes Gericht
Službeni list (Gesetzblatt)

2. Außenvertretungen:

Montenegrinische Botschaft in Deutschland
Deutsche Botschaft in Montenegro

3. Wirtschaft:

Deutsche Außenhandelskammer in Serbien (in Montenegro gibt es keine eigene AHK):
Ostausschuss der deutschen Wirtschaft