Ungarn
Länderreferent: Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper (zurzeit beurlaubt)
E-Mail: herbert.kuepper(at)ostrecht.de
Inhaltsverzeichnis:
Geschichte
Gegenwart
Recht und Justiz
Ungarische Periodika am IOR (Stand: 31.1.2021)
Landesrelevante Links
Auf einen Blick:
offizieller Staatsname: | Ungarn (Magyarország); bis 2012: Republik Ungarn (Magyar Köztársaság) |
Fläche: | 93.036 qkm |
Bevölkerung: | ca. 9,5 Millionen (Stand Anfang 2021) |
Hauptstadt: | Budapest (ca. 1,7 Mio. Einwohner, im Ballungsraum ca. 3,3 Mio. Einwohner) |
Regierungsform: | parlamentarische Republik mit starkem Ministerpräsidenten |
Verfassung: | Ungarns Grundgesetz vom 25. April 2011 |
Verwaltung: | 19 regionale Verwaltungseinheiten (Komitat; ungar.: megye) und die gleichgestellte Verwaltungseinheit Hauptstadt (Stadt Budapest; ungar.: főváros) |
Justiz: | vierstufige Einheitsgerichtsbarkeit mit der Kurie (ungar.: Kúria) an der Spitze |
Währung: | Forint (HUF), 1,- € entspricht ungefähr 360,- HUF |
Wirtschaftsleistung: | BIP/Einwohner: 16.484,- US$ nominal, 31.914,- US$ in Kaufkraftparität (Angaben für 2018) |
Amtssprache: | Ungarisch; zugelassen im Amtsgebrauch sind die Sprachen von 13 ethnischen Minderheiten, darunter Deutsch |
Nationalfeiertage: | 15. März; 20. August; 23. Oktober |
Geschichte
Der ungarische Staat wurde um das Jahr 1000 gegründet. Seit 1526 waren die Habsburger zugleich Könige von Ungarn. Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 schuf die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. In der anschließenden umfassenden – auch rechtlichen – Modernisierung orientierte sich Ungarn stark am deutschen Sprachraum. Im Frieden von Trianon (1920) verlor Ungarn mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung und seines Gebiets, darunter auch mehrheitlich ungarisch bewohnte Gebiete. Nachdem es im 2. Weltkrieg an Deutschlands Seite gekämpft hatte, wurde Ungarn 1944/45 von sowjetischen Truppen besetzt und 1949 zur Volksrepublik erklärt. Ab den 1970er Jahren war Ungarn bekannt für seine vergleichsweise „liberale“ Diktatur. Bereits 1989 beendete eine Verfassungsänderung die kommunistische Alleinherrschaft und erklärte Ungarn zur Republik. 1999 trat das Land der NATO und 2004 der EU bei. Eine neue Verfassung erging 2011.
Gegenwart
Ungarn ist geprägt durch eine extreme Konzentration des öffentlichen Lebens auf die Hauptstadt, in deren Ballungsraum ca. ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebt. In Budapest konzentrieren sich das politische und staatliche Leben, die Kultur, die Wissenschaft, die Medien, die Wirtschaft, die Verkehrs- und andere Infrastruktur, die Zivilgesellschaft und auch die Justiz. Diese Hyperzentralisierung hat in den letzten Jahren noch zugenommen, und die Disparitäten zwischen Budapest und „der Provinz“ sowie zwischen dem relativ entwickelten Nordwesten und dem zurückgebliebenen Osten und Südwesten nehmen weiter zu.
Seit vielen Jahrzehnten sinkt die Bevölkerung Ungarns wegen niedriger Geburtenraten und einer hohen Auswanderung. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sind ethnische Ungarn (Magyaren), deren Sprache nicht zu der indoeuropäischen, sondern zu der finnougrischen Sprachfamilie gehört. Als solche fühlen sich die Ungarn in einem „indogermanischen Meer“ isoliert und sind zugleich stolz auf das Überleben ihrer Sprache in dieser Isolation, was in der Präambel des Grundgesetzes in der Formulierung „unser Erbe, unsere einmalige Sprache“ seinen Ausdruck findet.
Neben der Amtssprache Ungarisch sind 13 Minderheitensprachen im Amtsverkehr zugelassen, darunter auch die deutsche Sprache. Des Weiteren erlauben einige Wirtschaftsgesetze eine Verfahrensführung auf Deutsch, Englisch oder Französisch. In der Praxis spielt Deutsch in Verwaltungsverfahren keine Rolle. In der Bevölkerung überwiegen englische Sprachkenntnisse, jedoch ist Deutsch als Fremdsprache bei älteren Ungarn, im Fremdenverkehr und auch bei zahlreichen Juristinnen und Juristen verbreitet.
Recht und Justiz
Seit der Mitte des 19. Jh. orientiert sich Ungarns Rechtsordnung stark am deutschen Sprachraum. Seit Mitte der 1990er Jahre beeinflusst das Unionsrecht stark die Rechtsentwicklung. Die Rechtsordnung ist weitgehend entkommunisiert, allerdings setzen sich in manchen Einzelregelungen und insbesondere in der Rechtsmentalität sozialistische Anschauungen fort. Im Mittelpunkt des Zivilrechts steht das BGB von 2013, das die Vorgängerkodifikation von 1959 – den ersten geschriebenen Privatrechtskodex der ungarischen Rechtsgeschichte überhaupt – ablöste. Das Arbeitsgesetzbuch stammt von 2012. Im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich spielen im Arbeitsrecht neben diesem Gesetzbuch Rechtsvorschriften der Tarifparteien nur eine untergeordnete Rolle. Das ungarische Gesetz mit der stärksten Ausstrahlung ins Ausland war wohl das StGB von 1878, der sog. Csemegi-Kodex, bei dem auch das zurzeit geltende StGB von 2012 etliche Anleihen nimmt.
Die ungarische Gerichtsbarkeit besteht aus vier Stufen und ist einheitlich, d.h. es gibt keine spezialisierten Gerichtszweige. Innerhalb der Einheitsgerichtsbarkeit bestehen besondere Spruchkörper für Zivil-, Wirtschafts-, Arbeits- und Verwaltungssachen. Außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit steht das Verfassungsgericht (Alkotmánybíróság), das seit 1990 besteht und von der Verfassung nicht als Gericht, sondern als gerichtsartiges Organ sui generis ausgestaltet ist. Für die freiwillige Gerichtsbarkeit, die in Ungarn als „nicht streitige Verfahren“ bezeichnet wird, sind in weitem Umfang die Notare zuständig.
ungarische Bezeichnung | deutsche Übersetzung |
Kúria | Kurie, oberstes Gericht |
ítélőtábla (5) | Gerichtstafel, Tafelgericht |
törvényszék (20) | Gerichtshof |
Budapest: kerületi bíróság (6) außerhalb Budapests: járásbíróság (107) | Bezirksgericht (Budapest) / Kreisgericht (außerhalb) |
Zeitschriften
1. Ausgelaufene Zeitschriften
Titel des Periodikums | Zeitraum |
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Acta Facultatis Politico-Juridicae Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös Nominatae | 1969-2014 |
Jogesetek Magyarázata | 2010-2016 |
Közigazgatási Szemle | 2007 |
Magyar Közigazgatás | 1990-2003 |
Miscolci Jogi Szemle | 2006-2017 |
Nemzetközi Közlöny | 2007-2010 |
Polgári Jogi Kodifikáció | 2004-2008 |
Revue de Droit Hongrois | 1959-1972 |
2. Laufender Bezug
Titel des Periodikums | Zeitraum |
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Aarms | ab 2014 |
Acta Humana | ab 2013 |
Állam- és Jogtudomány | ab 2009 |
ELTE Law Journal | ab 2014 |
Gazdaság és Jog | ab 2004 |
Hungarian Journal of Legal Studies | ab 2016 |
Jogtudományi Közlöny | ab 1955 |
Jura (Pécs) | ab 2001 |
Közbeszerzési Szemle | ab 2011 |
Közjogi Szemle | seit 2008 |
Magyar Jog | ab 1963 |
Magyar Kereskedelmi Évkönyv / Ungarisches Jahrbuch für Handelsrecht / Annales Hongroises du Droit Commercial | ab 2008 |
Parlamenti Szemle | ab 2019 |
Pro Futuro | ab 2012 |
Pro Publico Bono – Magyar Közigazgatás | ab 2011 |
Új Magyar Közigazgatás | ab 2018 |
Landesrelevante Links:
1. Oberste Verfassungsorgane, Rechtsordnung:
Staatspräsident
Parlament
Regierungsportal: Regierung , allgemeines Verwaltungsportal
Verfassungsgericht
Kurie (oberstes Gericht)
Justiz
Staatsanwaltschaft
Ombudsperson
Magyar Közlöny (ungarisches Gesetzblatt)
Nemzeti Jogszabálytár (amtliches Verzeichnis der Rechtsvorschriften)
Private Datenbank wichtiger Gesetze
2. Außenvertretungen:
Ungarische Botschaft in Deutschland
Ungarische Generalkonsulate:
Deutsche Botschaft in Ungarn
Neben der Botschaft unterhält Deutschland keine hauptamtlichen Konsulate in Ungarn
3. Wirtschaft:
Ungarisches Grundbuchamt
Ungarisches Handelsregister
Deutsche Außenhandelskammer in Ungarn
Vertreter der bayerischen Wirtschaft in Ungarn
Ostausschuss der deutschen Wirtschaft
4. Rechtswissenschaft:
Deutschsprachige Andrássy Gyula Universität Budapest
Universität Potsdam / Deutsche Rechtsschule Szeged
Universität Potsdam / Deutsche Rechtsschule Szeged: Fachdiplom-Studium Deutsches Recht mit Ausbildung zum Fachübersetzer
Deutsch-Ungarische Juristenvereinigung
WiRO-Handbuch
Wirtschaft und Recht in Osteuropa